01 März 2010

Kreuzkölln-Berlin-Meine Stadt




Mein Berlin, mein Kreuzberg, wie es einmal war, mein Neukölln, wie es gerade wird... Ich liebe diese Stadt. Geboren bin ich in Bayern. Nein, dafür schäme ich mich nicht! Es war toll auf einem Bauernhof groß zu werden und zu wissen, dass Kühe weder lila sind, noch, dass Milch aus Tetrapacks stammt.
Mit 8 Jahren bin ich nach Kreuzberg gezogen. Barfuß bin ich im Sommer durch den Görli gelaufen. Durch Rotze, Hundescheiße, Scherben... Aber auch über Wiesen und durch den (damals noch sauberen) Hundesee.
In der Regenbogenfabrik in den Schülerladen gegangen und nachmittags in den (mal Angeber sein: von uns gegründeten Zirkus) Cabuwazi.
Es war wundervoll. Im Sommer haben wir auf der Straße i-stop, Gummitwist usw. gespielt. Natürlich hatten wir auch Streit mit anderen Kinder- "Gangs" :-) Das war aufregend und heute ist es lustig zu sehen, dass die meisten immernoch rund um die Wienerstraße wohnen. Trotz der mittlerweile extremen Verdrängung durch Schwaben, Spanier, Menschen aus dem Medienbereich, die Projekte haben oder Studenten aus anderen Bundesländern. Ganz nebenbei mein Lieblingsaufregethema...

Kreuzberg hat so viele Facetten. Einerseits dreckig, "gefährlich" (damals durch die 36`ers u. Warriors), schmuddelig, voll mit Junkies, aber andererseits auch viel Kultur (siehe 6`er Maler, Graffitis, Ateliers, viele Musikstudios), Cafés, besetzten Häusern und Individualität. Aber genau das scheint sich in den letzten Jahren sehr zu verändern. Individualität zeichnet sich ja genau dadurch aus, dass es viele verschiedene Möglichkeiten gibt. Individuell ist man nicht, wenn man sich im Dunkeln anzieht und einfach alles, was bunt ist durcheinander wirft. Dazu noch die obligatorische Nerd-Individualisten-Brille und fertig ist... Ja, was? Ein Prenzlauerberger, der nach Kreuzberg gezogen ist, weil es dort nun "hipper" ist und bis vor einer Weile auch noch günstiger. Ich kann verstehen, dass es die Menschen nach Kreuzberg zieht.
Die Atmosphäre, gerade im Sommer, ist unbeschreiblich.
Wo sonst kann man in der Sonne liegen und hört "Papadam, Papadaaaaam, Paaaapadaaaaaaaam!!!!!!!!!"? Wo sonst gibt es das My-Fest (eine tolle Idee übrigens zur Deeskallation des 1. Mai`s)? Wo sonst kann man zwischen Sushi, Döner, Spätzle, Burgern und allem anderen, was das kulinarische Herz begehrt wählen? Wo triftt man so viele unterschiedliche Kulturen, Tiere und verrückte Menschen? Wo sonst bedient dich Yoda in einem Spätkauf?
Ich verstehe jeden, wirklich jeden, der hierhin möchte. Doch genau das zerstört das Kreuzberg, was geliebt wird. Die Ursprünglichkeit geht verloren. Die Hausbesetzer verziehen sich ebenso wie die Punks und Ur-Berliner. Die Mieten werden teurer und auch viele Ausländer ziehen weg. Aber hat nicht genau diese Mischung den Flair gemacht?
Ist es wichtig, dass die Speisekarte des Bateaus nun auch auf englisch ist? Warum gab es sie vorher nicht auch auf türkisch?
Muss in JEDEM Stadtführer stehen, dass die Oranienstraße DER Hotspot ist? War es nicht toll, dass nicht JEDER ins "versiffte" Kreuzberg wollte? Es hatte etwas Mystisches. Für mich zumindest. Es war bzw. ist Heimat. Du gehst auf die Straße und stehst quasi trotzdem in deinem Wohnzimmer. Wunderbar! Du kennst die Verkäufer auf dem Wochenmarkt, im Dönerladen, im Spätkauf und auch die Dealer in der Hasenheide begrüßen deinen Hund beim Namen. Im Prinzip ist Kreuzberg ein Dorf. Mit Tratsch, Tante-Emma-Läden und der gleichen Spießigkeit. Nur ist diese Spießigkeit etwas anders, als im ursprünglichen Sinne.

Und nun zu Neukölln. Meiner zweiten Herzensheimat. Vor Jahren verteufelt und als gefährlich verschrien. Dreckig, voll mit Hundekot und Betrunkenen. Außerdem noch an jeder Ecke ne Kneipe mit Namen wie: "Schiefe Ebene", "0815" oder "Zum krummen Eck", aus denen morgens betrunkene, pöbelnde Urberliner torkelten. Außerdem Prolls am Hermannplatz, die keine Gelegenheit ungenutzt ließen, um Menschen ohne Schniedel anzugraben.
Und auch das ändert sich! Finde ich es gut? Ich weiß es nicht. Die Geschichte hat zwei Seiten.
Klar ist es schön, dass man hier wieder rumlaufen kann ohne Pfefferspray. Klar ist es toll, dass es sauberer geworden ist. Und ja, irgendwie fand ich die Eckkneipen auch nicht so großartig.
Die Mieten aber waren genial niedrig und ich mag auch "meine" Stammproleten, die betrunken an "meinem" Kiosk stehen und mich immer Kathi nennen. Ich mag auch die türkischen Jugendlichen, die hier im Sommer rumprollen. Es fehlt etwas, wenn man an jeder Ecke nur noch Studentencafés und vegane Bäckereien sieht. Wo sind meine Prolls? Wo sind die Eckkneipen? Was macht der Dartclub nun? Wo treffen die sich, wenn ein Fußballspiel ist?
Und warum ist die Miete der Wohnung über mir, um die Hälfte gestiegen?
Kann es nicht eine Zwischenlösung geben? Zwei Welten, die parallel nebeneinander funktionieren und sich ab und zu kreuzen?

Und trotzdem freue ich mich auf den Sommer in Berlin! Die Luft, die Atmosphäre und einfach alles. Selbst über die Studenten aus anderen Bundesländern freue ich mich, weil die einzeln alle nett sind. Und fühlt man sich nicht ein bisschen wie im Urlaub, wenn alle um einen herum nur spanisch sprechen?
Ich liebe dich Berlin! Immer!!!!

Guten Morgen Berlin,
Du kannst so hässlich sein, so dreckig und grau,
du kannst so schön schrecklich sein,
Deine Nächte fressen mich auf
Es wird für mich wohl das Beste sein
Ich geh nach Hause und schlaf mich aus
Und während ich durch die Straßen laufe
wird langsam schwarz zu blau

So passend, wie ich finde!



2 Kommentare:

  1. Es wäre doch mal interessant herauszufinden, wo denn die ganzen Originale jetzt wohnen, wenn sie schon von 36 nach Neukölln geflüchtet sind und nun dort auch rar werden. Klar nerven mich die Schwabenstudenten und Spanier auch, und die Gentrifizierung treibt mir regelmässig Tränen in die Augen, wenn ein schönes, morbides Fabrikgelände in einen Lidlparkplatz oder das gefühlt 300ste, leerstehende Abschreibungsobjekt Dänischer Immobilienhaie umfunktioniert wird. Aber es ist wie es ist, Berlin ist einfach nicht mehr das gallische Dorf und andere Leute haben eben auch gemerkt, dass es sich hier gut leben lässt. Ist ja auch irgendwie ein Kompliment und ich wills auch Niemandem verbieten, wie soll das auch gehen. Ich bin auf jeden Fall nicht minder Stolz auf meine Stadt und Veränderung bringt auch Neues, was diese Stadt ja immer noch so besonders macht. Andere Deutsche Städte wirken gegen Berlin wie eingefroren. Und ganz ehrlich, ich geh ganz gerne Mal in Neukölln in eine Studentenkneipe. Auch wenn ich dort mit meinen Jungs zu den einzigen Eingeborenen gehöre. Ist mir immer noch lieber, als in einer Engelhardt-Kneipe mit vergilbten Gardinen zu sitzen und über Hertha zu reden, wobei das ohne Frage auch seinen Charme hat. Und wenn ichs real haben will, geh ich ins Franken, Clash, Trinkteufel oder Feuermelder. Ich denke, dass es immer Rückzugsmöglichkeiten geben wird, dass war schon immer so. Meine einzige Sorge ist, das Berlin in 10-15 Jahren genau so geleckt sein wird, wie andere (West)Europäische Städte. Und daran werden wohl auch alle Studenten und Spanier dieser Welt nichts ändern können, leider... .

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  2. sehe es ähnlich. und ich möchte bzw. kann es niemandem verbieten herzuziehen! wie auch? ich verstehe sie ja alle vollkommen.
    in einer eckkneipe zu sitzen gehört auch nicht zu meinen lieblingsbeschäftigungen, aber ich finde, dass diese kneipen einfach dazugehören. und hier in der hobrechtstr. ist keine einzige davon übrige geblieben. schade!
    die ur-kneipen in kreuzberg wird es ewig geben. da bin ich mir sicher!

    ich denke nicht, dass es 10-15 jahre dauern wird, dass das stadtbild sich komplett ändert. aber wie du schon meintest: veränderung bringt auch neues und das ist nicht immer schlecht!

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