14 August 2010

Der Unterschied



Lange habe ich überlegt, ob es an mir liegt. Ob ich einfach zu klugscheißerig, altklug, oder pedantisch bin. Oder vielleicht ein Mega-Super-Hirn! Der Gedanke würde mir besser gefallen.
Schon als Kind fiel mir auf, dass Männer in bestimmten Situationen einen leeren Gesichtsausdruck bekommen und rumglucksen. Ich merkte, dass wir nicht nur physionomisch anders sind, sondern auch ganz anders denken.
Während mein Papa jeden morgen, bevor er zur Arbeit musste, hektisch fluchend seinen Schlüssel suchte, der natürlich nicht an dem dafür vorgesehenen Schlüsselboard hing, stand meine Mutter mit einem triumphierenden Lächeln (man kann es auch diabolisch nennen) und dem Schlüssel in der Hand an der Tür. Sie war es auch, die immer wusste wo die Lieblingsjeans, die Bastelschere, das Akkuladegerät und auch sonst ungefähr alles lag. Nur die fehlenden zweiten Socken waren ihr immer ein Rätsel, aber ihre Erklärung war: "die Waschmaschine frisst Socken!". Komisch nur, dass man die Socken nie wiederfinden konnte, wenn man den Schlauch abmontiert hat...

Doch meine Mutter kannte nicht nur die Orte verloren geglaubter Dinge, sondern konnte sich jeden Termin merken. JEDEN! Wann mein Papa den nächsten Zahnarzttermin hat, wann ich den nächsten Zahnarzttermin hab, wann wir zuletzt beimZahnarzt waren, wann irgendeine Tante Geburtstag hat und wie alt sie wird, wann der Chef meines Vaters Geburtstag hat, der Hund der Nachbarin, der Jahrestag des Postboten und seiner Frau! ALLES! Dank ihr stand man nie blöd da und wurde immer erinnert an jegliche Termine. Ob wichtige, oder unwichtige.
Schon ein bisschen gruselig. Wäre da nicht das Fehlen jeglichen Verständnisses für Technik, oder Fußball könnte man sie schon als Roboter mit Mega-Festplatten-Kapazität bezeichnen. Superbrain!
Zusätzlich zu all diesen Dingen, die ja schon sehr verblüffend sind, kann sie sich jeden Satz merken den man ihr mal im Streit an den Kopf geworfen hat. Sie erinnert sich sogar an das Datum, den Ort, die Uhrzeit und den Zusammenhang. Sieweiß, was derjenige an diesem bestimmten Tag anhatte und benutzt diese Fähigkeit sehr gern gegen einen. Ein guter Kolumnist schrieb letztens, dass er glaubt in dem Kopf seiner Frau lebe eine Stasimitarbeiterin mit strengem Dutt und einer Schreibmaschine, die alles dokumentiert. Ich finde den Vergleich sehr passend.
Diese Superheldenfähigkeiten sind Segen und Fluch gleichzeitig. Als Kind war ich froh, dass Mama wirklich immer wusste wo ich mein Lieblingsspielzeug liegen lassen hab. Als Teenie fand ich es auch super, dass sie wusste, wann meine Lieblingsband auftritt und wo zum Teufel schon wieder das Telefon liegt. Ja, das alles war ganz toll. Ihr genervtes Gesicht habe ich damals einfach ausgeblendet. Ist doch nur Mama... Ich bin zu faul zum Suchen, also frag ich Mama. Patzige Antworten hab ich ignoriert. Im Endeffekt MUSSTE sie nämlich sagen wo der gesuchte Gegenstand ist. Sie konnte garnicht anders.
Erst als ich das erste Mal mit einem Mann zusammengezogen bin fiel mir auf, dass dieser kleine, feine Unterschied zwischen den Geschlechtern anstrengend sein kann. Nun bin ich es nämlich, die ständig gefragt wird wo die Pfanne, der Topf, das Salz, der Spülmaschinentab, das neue T-Shirt, die Regenjacke, der Schlüssel, das Handy und auch sonst alles ist!!! Ich muss nun an Geburtstage, Jahrestage, Termine erinnern.
Auf ein: "Schahatz, wo ist denn mein Ausweis?" kann vonmir schon mal eine äußerst giftige Antwort kommen. Vor allem, wenn der Ausweis immer an der gleichen Stelle ist.
Aber anstatt zu sagen: "Weiß ich nicht, musste selber suchen!", gebe ich ihm den Ausweis lieber. Dadurch entsteht natürlich kein Lerneffekt, aber die hektische Suche des Mannes nervt fast noch mehr. Komisch, ich hab ein Déja-vu.... Nur, dass ich nun meine Mutter bin.
Fast noch schlimmer als das sich nicht-merken-wo-ein-Gegenstand-liegt ist allerdings das Termine verdrängen, alles in der letzten Minute machen (es ist ein Irrglaube, dass dann alles nur 1 Minute dauert) und das unangenehme-Briefe-nicht-öffnen (auch dadurch verschwindet der Inhalt nicht). Und somit übernimmt man ab dem ersten Tag des Zusammenziehens die Rolle, die damals seine Mutter übernommen hat.
Auf diese "Fehler" angesprochen sagte mein Freund etwas aufden ersten Blick ziemlich gemeines: "Aber dafür brauche ich dich doch!" Im ersten Moment dachte ich ihn falsch verstanden zu haben. DAZU braucht er mich? Bin ich dann quasi eine schlecht bzw. garnicht bezahlte Assistentin? Wenn all diese Dinge ein App übernehmen könnte, wäre ich dann überflüssig? Doch nach längerem Nachdenken gefiel mir der Satz. Es ist schön gebraucht zu werden. Mama spielen, wenn man es jedoch lieber nicht so nennen sollte, ist etwas Schönes. Den Überblick zu haben ist auch schön. Und man erlebt zwischendurch Überraschungen, wenn der Mann zum Beispiel ohne Aufforderung daran gedacht hat Klopapier zu kaufen, oder den Jahrestag im Handy gespeichert hat.
Und lebt es sich nicht auch viel entspannter, wenn man jemanden hat der quasi ein Gedächtnis-Back-up ist?


Ich bin gern Kalender, Fotogedächtnis und einbisschen Mama. Ich liebe Männer dafür und genauso rege ich mich darüber auf. Und natürlich bin ich nicht nur Assistentin, sondern auch Freundin, Kumpel und Geliebte. Nur sind die meisten Männer eher vorsichtig, wenn sie auf bestimmte Fragen antworten sollen. Ich könnte ja mit einem Satz den er vor 3 Jahren gesagt hat ankommen und ihn damit widerlegen beziehungsweise enttarnen.

Und zur Verteidigung der Männer muss ich zugeben, dass man mir zehnmal erklären kann wo ich die Systemeinstellungen auf meinem Desktop finde und wie ich es verändere, aber ich kann es mir einfach nicht merken. Oder vielleicht will ich es mir auch garnicht merken, weil ich ihn ja auch für irgendwas brauche...