16 November 2011

Türkiye seni seviyorum - Logik yok

So, Halbzeit in der Türkei!
Während in Berlin die Erstsemester in Turnhallen untergebracht werden, weil sie keine Wohnungen finden, was mich innerlich extrem erfreut, sitze ich hier in einem Land in dem man nicht nach Logik fragen darf. Nebenbei werden hier Wohnungen für Erstsemester gebaut, wenn es nicht genügend gibt. Durch die Versprechung vor langer Zeit, dass die Menschen Grundstücke behalten können, wenn sie es schaffen über  Nacht ein Haus zu bauen (Gecekondular) sind sie ja auch recht schnell. Beziehungsweise sollten sie schnell sein... Was nichts über die Qualität aussagt.
Insgesamt läuft hier alles etwas anders, was mir spätestens klar wurde als meine beiden Mitbewohner das x-te Mal als unser Wasser abgestellt wurde, der Strom ausgefallen war oder es reinregnete nur mit den Schultern zuckten und sagten: "Well, this turkey!"



 Die beiden sind sowieso ein sehr spannendes und manchmal ungewollt komisches Thema. Ende zwanzig, Anfang dreißig, wohnen sie das erste Mal ohne Mama. Nun denkt man, dass sie wahrscheinlich viele Dinge nicht wissen, die man so im Haushalt machen muss. FALSCH! Sie wissen ALLES. Ob das nun richtig ist oder nicht tut nichts zur Sache. Meine Steckdose (die einzige in meinem Zimmer) wurde beim Staubsaugen von dem Einen aus der Wand gerissen (inkl. einem Teil der Wand. Vllt. ist das hier auch ein Gecekondu?). Repariert wurde sie, ganz fachgerecht, indem einfach Tesafilm drüber geklebt wurde. Schließlich ist so eine heraushängende Steckdose ja eine Gefahr für mich. Seitdem habe ich ein Tesafilm-Klebstreifen-Steckdosen-Gemälde an der Wand. Hinzuzufügen ist, dass die beiden Ingenieure sind... Nun gut.



Eines Abends komme ich nach Hause und mein Licht funktioniert nicht mehr. Grund hierfür war, dass einer der beiden meine Glühbirne benötigte, weil eine andere kaputt war. Auch gut. Man kann ja einfach immer eine Glühbirne in der Tasche haben und die im jeweiligen Zimmer in die Fassung drehen, wenn man Licht haben möchte. Auf die Idee neue zu kaufen sind sie nicht gekommen. Ich erhielt nur ein Schulterzucken und durfte in den nächsten Supermarkt gehen.
Der Tag kam als ich das erste Mal Wäsche waschen musste. Die Jungs waren sehr hilfsbereit und erklärten mir, dass ich die Wäsche nach Farben sortieren muss, was mir natürlich völlig neu war.
Nach dem ersten Monat wurde ich krank und wollte mir eine Hühnerbrühe machen. DAS Zaubermittel. Als ich meinen beiden Jungs sagte, dass ich eine Suppe kochen wolle, hielten sie mir eine Linsensuppe aus der Tüte unter die Nase. Ich versuchte ihnen zu erklären, dass man davon eher krank als gesund wird und lieber eine richtige Suppe kochen möchte. Die Jungs waren ganz gespannt und wollten natürlich unbedingt wissen, was ich kochen werde. Ich fing mit den Zwiebeln an, welche ich mit Schale (so macht man das nunmal) anbriet. Dies führte zu großer Irritation und bestätigte den beiden nur mal wieder meine Unfähigkeit in allen Lebenslagen. Wie einem kleinen Kind erklärten sie mir, dass man die Schale von Zwiebeln entfernen muss. Als ich ihnen aber klarmachte, dass das schon genau richtig so ist wurde meine Suppe nur mit einem angeekelten Blick als "dreckig" abgetan. Probieren wollten sie auch nicht. Mehr für mich.
In der letzten Woche war es sehr stürmisch. Da wir im obersten Stockwerk wohnen, bekommen wir die volle Ladung Wind ab. Mit unserer Balkontür war bis dahin eigentlich alles in Ordnung. Gut, es gab eine ca. 5 cm große Lücke zwischen Tür und Wand, aber sie ging zu. Einer der beiden wollte die Tür allerdings dichten und klebte, sehr professionell, Dichtungsband an die Zarge. Keine absolut verkehrte Idee. Die Durchführung war allerdings wenig erfolgreich. Seitdem schließt die Tür nicht mehr. Er hat nämlich einfach das Schloss überklebt.
Eines Tages nach einem langen Unitag komme ich nach Hause und will einfach nur ins Bett. Vor der Tür sitzt der Ältere der beiden auf einem Stück Karton. Er sieht ziemlich unglücklich aus. Er wollte eigentlich nur kurz den Müll rausbringen, aber die Tür fiel hinter ihm zu. Ich versuche also die Tür aufzuschließen, was aber leider nicht funktioniert, weil er seinen Schlüssel von innen stecken lassen hat. Ich, total kreativ und mit völlig abstrusen Ideen, schlage vor einen Schlüsseldienst zu informieren. Diese Idee scheint ihm aber zu abgefahren und er versucht lieber mit meinem Schlüssel die Tür aufzukratzen. Nach einer Weile merkt er dann aber doch, dass Schlüsseldienst nicht die schlechteste Idee ist.
Die Wohnung ist ziemlich leer (abgesehen von den obligatorischen 5 Sofas, die hier jeder hat). Anfangs hatte ich nicht mal einen Schrank. Da ich aber mit nur 40 Kilo Gepäck angekommen bin, wollte ich unbedingt einen Schrank haben. Also ab zu Ikea. Ja, es gibt hier Ikea und Praktiker und Rossmann und Deichmann und Tchibo und Media Markt und Nordsee! Aber kein H&M. Nun hat ja eigentlich jeder schon mindestens einmal etwas von Ikea aufgebaut. Meine Jungs nicht, aber sie trauen mir nicht zu, dass ich das kann. Nach ewigem hin und her und zahlreichem Umgeräume der Einzelteile, müssen die Jungs vor lauter Erschöpfung erstmal frühstücken. Diese Zeit nutze ich um den Schrank aufzubauen. Einer bzw. Eine muss es ja machen. Der Korpus steht nach 15 min. Leider musste ich los und überließ es den Jungs die Türen anzubringen. FEHLER! Die Türen schließen nicht und die Rückwand des Schranks ist auf wundersame Weise zerbrochen. Ingenieure...
Es gibt noch zahlreiche weitere Geschichten der beiden und wie sie mich immer wieder unterschätzen und nur darauf hören, was mein Freund sagt und nicht auf mich.
All diese Geschichten haben allerdings auch eine gute Seite, denn ich lerne hier Gelassenheit. Einen Fahrplan für Busse gibt es nicht, einen Zeitplan erst recht nicht und man erfährt meistens erst im Bus, wohin er fährt. Die Öffnungszeiten der Geschäfte variieren und sind anscheinend nicht bindend, Feiertage werden erst ein paar Tage vorher bekannt gegeben und auch wie lange man frei hat. Die Uni findet ebenfalls nicht zuverlässig statt. Und trotzdem liebe ich dieses Land und die Leute. Die Uhren ticken hier einfach anders, man wird überall freundlich aufgenommen. Ok, man muss davon absehen, dass man von JEDEM, auch von 3-jährigen Kindern, Yabancı genannt wird. Yabancı bedeutet Ausländer. Ich werde das mal in Berlin versuchen, wenn ich wieder zurück bin und werde mich spätestens bei der Reaktion der Leute dort hierhin zurücksehnen.