24 Juli 2012

Willkommen im Lalaland

Dies wird ein, für mich, ungewöhnlicher Eintrag! Ich warne nur vor. Weniger Sarkasmus und Ironie, weniger in Schubladen stecken, als sonst. Dafür mehr Liebe!
Das alljährliche Ausbrechen aus dem Alltag ist nun schon fast einen Monat her. Noch immer profitiere ich allerdings von den Vorteilen, die das Lalaland so mit sich bringt. Innere Gelassenheit, Sonnenschein im Herzen (auch wenn der Berliner Sommer sich bisher nicht von seiner besten Seite gezeigt hat) und viel Liebe!

Für alle, die nicht wissen, was das Lalaland ist: Es handelt sich um ein Zusammentreffen von 70.000 Gleichgesinnten, freiheitsliebenden und friedlichen Menschen, die Einhörner, Glitzer, Seifenblasen, bunte Lichter, Musik und Energiebällchen mögen. Das mag nun komisch klingen, aber es entspricht komplett der Wahrheit. 
Neben Menschen, die leicht verschoben grinsend eine Banane kauen und eine Installation anstarren, Zaubermenschen mit bunten Gewändern, die Hoola-Hoops kreisen lassen, Indianern, die im Busch sitzen und eigentlich nur Donnerstag ins Berghain wollten und dann Sonntag im Lalaland aufwachten, vergesslichen DRK-Mitarbeitern, die Maria, 82 geboren in Berlin als Madlen, 86 geboren in Hamburg listen und feierwütigen Techno-Atzen, die bunte Lichter hochhalten und dabei Kirschen vom Baum pflücken, befinden sich auch zauberhafte Elfen und ehrenhafte Baumeister im Lalaland. Jeder findet seinen Platz und auch den Raum sich auszuleben, soweit es die Grenzen des jeweils anderen Mitbewohners der Parallelwelt erlauben. 
Trotz wenig Schlaf (in 5 Tagen vllt. 10 Stunden) und vielen Eindrücken, die es zu verarbeiten gilt, verlässt man das Lalaland tiefenentspannt und vollkommen ausgeglichen. Die Rückkehr zum inneren Kind und den damit verbundenen Wünschen, die man sich sonst in der grauen Realität nicht auszuleben wagt, bringen ein inneres Gleichgewicht, welches auch 5 Wochen Wellness-Urlaub nicht effektiver entstehen ließen. Da schaut man auch mal gelassen über die, nennen wir es unangenehme, Toilettensituation und den seichten Wasserdruck der alten Bleileitungen hinweg. Und wer wollte nicht schon immer zwischen Wassernymphen mit ausgeprägter Schambehaarung und Flusshunden in einem idyllisch zugewachsenem Waldfluss ein Bad nehmen? Back to the roots und zurück zu sich selbst! Klingt wahnsinnig esoterisch und für diejenigen, welche es noch nicht live erleben durften, vielleicht auch etwas abgefahren. Auch die Philosophie alle seien gleich und gender gibt es sowieso gleich zehnmal nicht, Staatenzugehörigkeiten ebenfalls nicht und wenn jemand ein Bier mit der deutschen Flagge mitbringt, dann sollte dies zumindest übergaffert (Fachterminus für: etwas mit Gaffa-Band verdecken) werden, mag auf den ersten Blick übertrieben wirken. DOCH: es funktioniert! 
Es funktioniert so gut, dass 70.000 Menschen, unabhängig und trotzdem zusammen, eventuell nichts gemeinsam habend außer den Wunsch Lalaland zu genießen, friedlich miteinander feiern ohne, dass es zu Streitereien oder Gewalt kommt. 


Auch ein Sturm und die damit verbundene Durchsage es sei alles vorbei, Verletzten solle geholfen werden und wir sollten nicht in Panik verfallen, was in vielen den Gedanken "Wir werden alle sterben!" hervorrief, tat dem ganzen Spaß keinen Abbruch - der Bürgermeister des Lalalands war natürlich mit dafür verantwortlich, dass alles in geregelten Bahnen verlief. Außer unser Pavillon. Der verließ seine geregelten Bahnen und entschied sich für den Heldentod indem er einfach zerbrach und sich in seine Einzelteile auflöste, was zu hämischem Grinsen bei den Nachbarn führte, das kurze Zeit später von den Einhörnern und ihrer Macht das Wetter zu verändern, erlosch. Vielleicht entstand dieser zweite, weitaus schlimmere, Sturm allerdings auch, weil einer der Mitbürger des Lalalands an der Macht der Einhörner zweifelte und nach dem milden Sturm rief: "War das schon alles????". 
Ja, ich weiß, dass sich das alles anhört als müsse ich sofort von den Männern mit den Ich-umarme-mich-selbst-Jacken abgeholt werden oder mir eine große Bananenstaude in den Mund gestopft werden, damit ich von meinem Trip runterkomme. Das sagen aber auch nur diejenigen, die nicht dabei sein durften und immernoch im grauen Mordor mit den pupsenden Geisterkatzen (Umschreibung für die Realität) leben müssen. 
Zurück in Mordor schlägt einem die Realität mit einem Roundhouse-Kick direkt ins Gesicht (bei den Männern - sorry fürs gendern - in die Weichteile), piekst einem Zahnstocher unter die Fingernägel und zieht an den Babyhaaren rund um den Kopf. Das Zurückkommen und das damit verbundene Aufgeben der so geliebten Individualität für ein Anpassen an die Allgemeinheit, funktioniert leider nicht mehr. Wer den Weg ins Lalaland einmal gefunden hat, der kommt so schnell nicht mehr zurück und flüchtet sich gelegentlich mit anderen Mitbewohnern des Lalalands zurück in Glitzer-, Seifenblasen-, Konfetti- und Ausgelassenheitsträume. Ganz egal, was die Hinterbliebenen davon halten. 
Glitzer macht freundlich, Seifenblasen erwiesenermaßen auch und wer wurde jemals von einer Konfetti-Kanone verletzt?
Wenn ihr also Menschen seht, die allein auf einer Wiese tanzen, glitzern, euch freundlich anlächeln oder einfach wie ein Kind den Hüpfer-ein-Fuß-aussetzen-Gang machen, dann lächelt zurück und seid gewiss, dass in diesem Moment mindestens ein Einhorn anwesend ist.
LIEBE!!!!

23 Mai 2012

Der ewige Zufrühkommer!



Wer jetzt denkt es gehe um Sex hat sich geirrt! Sorry, keine peinlichen Geschichten über private Schlafzimmergeschichten. Viel mehr beklage ich heute das Schicksal meines Lebens als notorische Zufrühkommerin bzw. Zufrüherscheinerin. Ja, liebe Freunde, die gibt es. Ich weiß, dass sich das viele Menschen aus meinem Freundeskreis nicht vorstellen können, aber Zu-früh-bei-Verabredungen-Erscheiner existieren! 
Die ewige und leidige Geschichte meines Lebens als Dummrumsteher, Nicht-wissen-wohin-mit-den-Armen-Warter fing schon recht früh an und wurde mir vermutlich von meiner Mutter vererbt, die schon früh morgens in Panik ausbricht, wenn der Flug in den Urlaub erst spät in der Nacht geht. 
In der Schule hatte es meist Vorteile bezüglich der Noten. Ich war immer die Erste im Klassenzimmer (manchmal musste mir der Hausmeister den Raum aufschließen und war nicht glücklich, dass ich ihn aus dem Bett geklingelt hab) und wusste erstmal nicht, was ich mit meiner Zeit anfangen sollte. Aus lauter Langeweile entschied ich mich oft dafür zu putzen und aufzuräumen. Übrigens eine meiner liebsten Zeitverzögerungsbeschäftigungen. Die Tafel war also beim Eintreffen des Lehrers blitzsauber, die Stühle vom Tisch genommen und der Lehrer hocherfreut. Meist folgte dann noch ein Plausch mit dem Lehrer, was mir zusätzliche Pluspunkte einbrachte. Die Noten waren dementsprechend gut ohne, dass ich mich lernstoffmäßig anstrengen musste.
Als Zufrühkommer hat man also bei offiziellen Anlässen meistens einen Vorteil. Anders ist es bei privaten Verabredungen.




Nehmen wir an ich hab ein Date um 15 Uhr. Dann stehe ich um 9 Uhr auf und denke: "Scheiße, ich hab verschlafen! Nur noch 6 Stunden bis zur Verabredung! Ob ich das schaffe?!?!?!". Also hetze ich mich ab, mache mich fertig und bin um 9:20 bereit loszugehen. Dann erst merke ich den Fehler in der Kalkulation. Noch 5 Stunden und 40 Minuten!!! Mist, was soll ich denn jetzt noch machen? Nachdem ich mich nun seit 27 Jahren regelmäßig fertig mache, sollte ich eigentlich wissen, dass das nicht 6 Stunden dauert... Von wegen der Mensch ist ein Tier, welches aus Fehlern lernt. Also ich zumindest nicht! Nun geht das Zeit totschlagen los. Putzen, Papiere sortieren, Unikram erledigen, Oma anrufen, nochmal abschminken und neu schminken, Kleiderauswahl überdenken, zehn Mal umziehen, um im Endeffekt wieder das erste Outfit anzuziehen. Dann muss natürlich das Klamottenchaos wieder beseitigt werden. Und nachdem all diese Verzögerungstaktiken angewandt wurden, bleiben immernoch 3 Stunden übrig. Die meisten meiner Freunde würden jetzt noch keinen Gedanken ans Losgehen verschwenden. Anders bin ich. Nun wird die beste BVG-Verbindung rausgesucht & ausgedruckt. Nebenbei informiere ich mich über möglichen Ersatzverkehr und andere Hindernisse. Da ich der anderen Person, die in den meisten Fällen ein Zuspätkommer ist, gesagt habe, dass wir uns um 14 Uhr treffen, damit sie um 15 Uhr da ist, muss ich ja eigentlich schon los! Denn was ist, wenn sie nun ausnahmsweise doch pünktlich kommt?! Ich will ja niemanden warten lassen. Nun beginnt der Stress erst richtig! 13 Uhr!!!! Der Weg dauert 30 Minuten, laut BVG. Denen kann man nicht trauen, denke ich mir. Außerdem muss man ja den Weg die Treppen runter, zur U-Bahn und die Wartezeit einplanen. Und vorher Geld ziehen!!!! Wenn da eine Schlange ist!!! Und der Nagellack ist ja auch noch garnicht trocken!!!! HILFE!!!! Also renne ich los! In meiner Panik zu spät zu kommen habe ich den Geldbeutel liegen lassen. Wieder zurück. Der Hund schaut schon völlig verwirrt. Nach 5 Jahren müsste auch er sich eigentlich an diese absurde Routine gewöhnt haben. 




Um 13:15 sitze ich dann also völlig außer Atem, abgehetzt und nicht bester Laune auf dem U-Bahnhof. Nun können trotzdem noch viele Dinge passieren, denke ich mir. Die Bahn könnte einen technischen Defekt haben, ein Fahrgast könnte einen Herzinfarkt haben und ich müsste Erste-Hilfe anwenden... Wie war das nochmal? Erst drücken, dann pusten? Wie oft drücken? Wieviel pusten? HILFE!!!! Und ist denn mein Semesterticket überhaupt noch gültig? Auch könnte dem Hund plötzlich schlecht werden. Das kann passieren. Auch nach 5 Jahren regelmäßig U-Bahn fahren ohne Komplikationen. 
Nach einer reibungslosen Fahrt bin ich also um 13:45 am Ziel. 15 Minuten vor verabredeter Zeit. Noch eine rauchen, dann müsste mein Date kommen. 14:15 - 3 Zigaretten später - Date nicht in Sicht - Anruf:  keine Antwort. 14:16 - Anruf - keine Antwort - ich fange an mir Sorgen zu machen und stelle mir vor, dass mein Date in der Badewanne ausgerutscht ist und im eigenen Blut schwimmend mit letzter Kraft versucht ans Handy zu kommen. 14:20 - 1 Zigarette - 20 Anrufe - 5 SMS - 3 Whatsapps - 2 Voxernachrichten - ich fange an zu schwitzen und unruhig hin und her zu laufen, während ich die Nachrichten über Unfälle der Polizei im Internet abrufe. Der Hund ist ebenfalls unruhig und fiept. Der Gedanke daran, dass ich den Termin ja eigentlich auf 14 Uhr gelegt habe, damit die andere Person um 15 Uhr da ist, kommt mir garnicht. 14:30 - 3 weitere Zigaretten - ein Klobesuch in einem Café - Anruf: endlich eine Antwort! Es ist nichts Schlimmes passiert. Mein Date geht jetzt langsam los... Innerlich schreie ich und rattere die wüstesten Beschimpfungen runter. "Ja, sorry, mir ist noch was dazwischen gekommen!" WAS?????? WIR HABEN DOCH ALLE HANDYS!!!!!! RUF MICH DOCH AN! Abgesehen davon, dass ich vermutlich dann trotzdem schon am Zielpunkt gewesen wäre und das auch nichts geändert hätte. Um 15 Uhr kommt mir mein Date dann tiefenentspannt und lächelnd entgegen. Hund und ich sind am Ende unserer Kräfte. Durchgeschwitzt, 10 graue Haare mehr, ohne Zigaretten und völlig erschöpft vom Ausmalen der schrecklichen Dinge, die hätten passiert sein können. Wartezeit: 1 Stunde 15 min. 
Der Plan nicht warten zu müssen, weil man ja eine andere Zeit verabredet hat, um nicht warten zu müssen, weil das Gegenüber IMMER zu spät kommt, hat nicht funktioniert. Und selbst wenn ich von 15 Uhr ausgegangen wäre, dann hätte ich trotzdem 30 min. warten müssen. 15 min. zu früh, der Andere 15 min. zu spät = 30 min. Geschichte meines Lebens! 


Der Spruch "Vorfreude ist die schönste Freude" wurde unter Garantie von einem Zuspätkommer erfunden! Vorfreude an Weihnachten ist schön! Da weiß ich auch, dass es sicher am 24.12. stattfindet! Der Termin steht! Es kommt nichts dazwischen. Weihnachten kann auch nicht überfahren werden, überfallen werden oder vergewaltigt, zerstückelt und im Wald verbuddelt werden. Weihnachten hat auch kein gottverdammtes Handy, weil Weihnachten nicht zu spät kommt!
Besonders liebe ich auch die Aussage: "Ich bin gleich da!" GLEICH!!! "Gleich" kann alles bedeuten und ist ein sehr dehnbarer Begriff, der unterschiedlich benutzt wird. Bei mir bedeutet "gleich" innerhalb der nächsten halben Stunde (höchstens). "Gleich" eingesetzt beim Thema Müll runterbringen kann alles zwischen 15 min. und 1 Woche bedeuten. Wenn ich also höre, dass etwas "gleich" erledigt wird, sehe ich mich die angefragte Tat schon selbst ausführen, weil ich denke der Müll begrüßt mich sonst an der Wohnungstür und schmeißt in der Zwischenzeit eine kleine Party.


Pünktlichkeit ist angeblich eine deutsche Tugend. Wie kann es aber sein, dass die "Deutsche Bahn", die ja wieder Name schon sagt, deutsch ist, IMMER zu spät kommt? Genau wie die meisten meiner Freunde!


Und trotzdem braucht man die Deutsche Bahn/Freunde. Ohne die Deutsche Bahn würde ich nicht zur Uni kommen. Ohne Freunde würde ich die Uni nicht aushalten. 
Und außerdem heißt es ja auch: "Besser zu spät, als nie!"

08 März 2012

Anders, aber amüsant...



So, nun bin ich schon über einen Monat wieder zurück im guten, alten Berlin. Moment, eigentlich stimmt das so garnicht, weil sich in der Zwischenzeit ziemlich viel verändert hat. Meine sonst auch nicht wirklich saubere Straße ist mittlerweile zu einem großen Hundeklo für schwäbische und englische Möpse geworden. Da ich bisher immer dachte, dass gerade die Mopsbesitzer Wert auf Sauberkeit legen (siehe meist übergepflegtes Äußeres angestrengt auf unangestrengt gestylt), musste ich diesem Kackhaufen-liegen-lasse-Phänomen auf die Spur gehen. Observierungen der Täter brachten mir nichts. Möpse machen, wie Möpse eben machen. Observieren des anderen Endes der Koko von Knebel-Leinen brachte auch nur mäßigen Erfolg. Zumindest fiel mir auf, was alle Statushundebesitzer gemein haben: JUTEBEUTEL! Nun konnte ich mein Experiment starten und ging mit einem Jutebeutel über der Schulter, einem Kackbeutel in der Hand und meinem Hund an der Leine in die Feldforschung. Es dauerte eine Weile, aber irgendwann war mein Struppi mit seiner Toilettenwahl zufrieden. Ich zückte die Tüte und beugte mich mit meinem Jutebeutelbeschultertem Arm Richtung Haufen... flatsch... Igitt... Jutebeutel landet zwangsläufig im Organicfood-Haufen. Alles klar, daran wird die exponentielle Steigung des Hundehaufenvorkommens mit der Zunahme der Zugezogenen Hipster-Hundebesitzer natürlich klar. Und ich glaube ganz sicher nicht, dass Loriots Zitat: "Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos", der Ausschlag für diesen Wahn ist.
Eine weitere Änderung in meinem, immernoch sehr geliebten, Neukölln, oh sorry, mittlerweile Kreuzkölln, ist die Eröffnung etlicher Bars und Cafés mit wunderlichen Getränken. Pasteurisiertes und wahlweise gefiltertes oder ungefiltertes Bier werden von einem französisch sprechenden Austauschstudenten bzw. Künstler mit Geheimprojekten in einer Erdgeschossaltbauwohnung mit extra abgeschlagenen Wandfliesen und Oma-Stehlampen angeboten. Hinter ihm hängt eine selbstgemalte Werbung für die neueste organic-fair-trade-Kombucha-Limonade mit linksdrehenden Milchsäurebakterien. Bei der Bestellung einer Coca Cola wird man nur abschätzig angeguckt und bekommt, wenn man Glück hat, eine Afri-Cola, wenn nicht eine super-geheime-haben-nur-wir-weil-super-geheim-und-garantiert-kein-Mainstream-und-so-Cola-ähnliche Brühe in einer mundegeblasenen Flasche von einem befreundeten Künstler, der seine Flaschen auf dem Nowkölln flowmarkt und Dawanda oder Etsy anbietet und in einer ach-so-kreativen-WG mit anderen Auswanderern lebt und versucht dem Konsumterror zu entgehen, weil extrem uncool, aber selber verantwortlich für eben diesen ist und feiern bei "illegalen, Hinterhof-geheim-Parties" ihren absurden Snobismus.
Noch ein sehr drastischer und lebensverändernder Einschnitt in meinem bisherigen Leben ist die Schließung meines geliebten türkischen Supermarkts, Netto und dem türkischen Supermarkt eine Ecke weiter. Einkaufen in Bio-läden ist natürlich politisch korrekter und woher soll man denn wissen woher das Fleisch kommt, wie das Rind hieß, was seine Lieblingsspeise, sein Lieblingsonkel und sein Lieblingsmassageöl war. Wenn man überhaupt Fleisch zu sich nimmt... Aber es gibt ja auch gute fleischlose Alternativen aus biologisch korrektem Bio-organic-Tofu. Nur eben nicht beim Türken. In der Türkei bekommt man Hühnchen angeboten, wenn man sich als Vegetarier outet. Ich persönlich wäre wahrscheinlich auch jemand, der in dem Fall Hühnchen anbieten würde. Ist doch kein Fleisch. Ist doch weiß. Fleisch ist rot.
Vor ein paar Tagen habe ich gelesen, dass in den letzten 2 Jahren 53 Bio-Supermärkte in Berlins Innenstadt eröffnet wurden und 10 weitere in diesem Jahr folgen werden. Nun fehlt mir nur noch eine Statistik, wieviele türkische Supermärkte und Tante-Emma-Läden schließen mussten, weil die Zielgruppe einfach wegziehen musste. Oder, weil sich viele einfach nicht in einen "ach, so orientalischen" Laden trauen oder ihn gegebenenfalls nur aufsuchen, wenn sie einen Themenabend planen bei dem es original türkisches Essen geben soll. Seit der Schließung dieser Läden ernähre ich mich fast ausschließlich über einen Lieferservice und plane meinen Einstieg ins türkische-Supermarkt-Business! 


Trotz allen Schattenseiten gewöhne ich mich allerdings an diese Veränderungen bzw. versuche das Beste draus zu machen und unterziehe mich einer Verwandlung, die ich selbst nie für möglich gehalten hätte, weil ich ja immer als der Oberhater dieser Bewegung galt. Hipster und deren konform-individuellen (nein, in diesem Fall widersprechen sich diese beiden Wörter nicht) Verhaltensweisen können mitunter sehr erheiternd sein. Man muss sich nur drauf einlassen und sich selbst nicht so ernst nehmen, was die Angesprochenen leider oft oder eigentlich immer vergessen. Sich mit einem Edding einen Schnurrbart auf den Finger malen und bei Gesprächen nicht zu antworten, sondern einfach völlig unbeteiligt den Finger über den Mund zu halten, bunte und auf den ersten Blick unpassende Farben, Muster und Formen anzuziehen und so rauszugehen an einem Tag der nicht Fasching oder Karneval ist und man nicht gerade zu einer Bad taste Party eingeladen ist, macht Spaß, steigert das Selbstbewusstsein und bringt neue Bekannte, die man in Normalo-Outfit wahrscheinlich nicht kennengelernt hätte. Auch die Parties sind eigentlich ganz lustig. Man muss sich halt abschießen (Club-Mate Wodka wirkt wahre Wunder) und alle Parties aus der Vergangenheit ausblenden. Einzeln sind die ja alle ganz nett und wenn sie nicht gerade ein neues Haus aufkaufen, die alten Mieter rausschmeißen und die Mieten verdoppeln, dann mag ich sie auch.