31 Juli 2010

Mein Name ist Katharina K. und ich bin süchtig

Anfangs habe ich die Süchtigen belächelt. Habe auch schonmal geflucht über eine so unsinnige Sucht. Habe es abgetan als Modedroge. Mein Freund ist schon eine ganze Weile drauf. Er schläft sogar mit der Droge in der Hand ein, geht damit auf die Toilette, gibt sie kaum aus der Hand und bietet sie in fast jeder erdenklichen Situation als Hilfe an. Ich durfte es nicht anfassen, weil er Angst hatte ich könnte es ihm kaputt machen, oder wollte er mich schützen?

Nachdem er nun auf die härtere Version davon umgestiegen ist, hat es auch mich erwischt!
Anfangs nur in geringen Dosen. Erstmal dran gewöhnen, damit umgehen lernen. Ich konnte nicht ahnen wie schnell man abhängig wird.
Nachts kann ich nicht schlafen, weil ich unbedingt mehr will, morgens sehe ich sie mir sofort an und checke, ob alles noch so ist wie vorm Einschlafen. Unterwegs hole ich sie immer wieder heimlich aus der Tasche und streichel sie.


Also, ich bin Katharina K. aus Berlin und ich bin süchtig. Ich habe ein Iphone und liebe es!
In der ersten Zeit waren mir Iphone-Schwärmer suspekt. Ich bin ein digital native und war der Meinung, dass das Iphone nichts Besonderes ist. Es musste ja mal so ein Handy kommen. Entschuldigung, Smartphone meine ich natürlich. Mit Minority-report-mäßigem Touchscreen.
Aussehen? Zu groß, aber ganz nett. Apple halt. Die achten darauf, dass man das Design schön finden muss.

Meine Meinung vor dem Besitz

Immer wieder wurde mir das Iphone in die Hand gelegt und erklärt, was es alles kann. Großartig! Es hat Internet! Toll! Man kann sehen, wo das nächste Restaurant, der nächste Supermarkt, Apotheke, Puff, Tierarzt und überhaupt sonst alles ist. Mit Bewertung und Wegbeschreibung. Steht man verloren im Wald? Kein Problem, da gibts ne App. Schon allein dafür lohnt es sich sich einfach mal im Wald zu verlaufen. Du möchtest wissen, wie das Wetter in Buxtehude ist? Da gibts ne App. Hinfahren wird man deshalb zwar nicht, aber man weiß es! Du musst dich unterwegs rasieren und hast deinen Rasierer vergessen? Macht nichts, auch dafür gibts ne App. Macht zwar nicht glatt, aber gibt einem das Gefühl. Du willst ein Regal aufhängen, aber hast keine Wasserwaage? "Hier, nimm mein Iphone!", sagt mein Freund. Du vermisst das Gefühl von Fingernägeln auf der Tafel, oder möchtest nur deine Umwelt ärgern? Rate mal! Auch dafür gibts ne App. Du möchtest deine Gitarre stimmen, aber hast keine Stimmgabel zur Hand und kein gutes Gehör? Das Telefon der Telefone nimmt es dir app.
Das Iphone kann so ungefähr alles, wenn man Besitzer fragt. Es ist Walkman, Fotoapparat, Fotoalbum, volles Bücherregal, Kochbuch, Navigationssystem, Taschenlampe, Kalender, Telefonbuch, Spielekonsole, Spiegel, Stimmgabel und vieles andere in einem.


Wie konnte ich nur so lange ohne dieses Teil leben? Alles wird einfacher. Nur sms schreiben mag es nicht so sehr, aber darüber kann man hinwegsehen. Regen findet es auch nicht so toll, aber dafür gibts bestimmt auch bald ne App.
Normale Handgriffe geschehen nicht mehr einfach. Man überlegt vorher, ob es nicht vielleicht doch eine App gibt, die einem den Handgriff erklärt, abnimmt oder vereinfacht.
So habe ich kurz vorm Einschlafen, nach einem 4-stündigen Siedler 4 Match, überlegt, ob es nicht auch eine Zahnputzapp gibt. Oder eine ich-muss-ne-Hausarbeit-schreiben-aber-hab-durch-das-Iphone-keine-Zeit-mehr-App.
Das Liebesleben erlebt ganz andere Dimensionen. Schließlich gibt es eine Kamasutra-App. Dass das Liebesleben eigentlich weniger wird, weil beide nur noch in ihre Handys gucken ist reine Spekulation.



Ich gebe zu, dass ich mich geirrt habe. Auch für einen digital native ist das Iphone toll! Ich geb es nicht mehr her.
Morgen frag ich es, ob es meinem Freund Kaffee kocht und für mich mit dem Hund Gassi geht. Wir leben jetzt nämlich zu fünft in der Wohnung. Zwei Iphones, ein Hund, zwei Süchtige.

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